Eltern werden und Eltern sein – es klingt so ähnlich und fühlt sich doch an, wie zwei Paar Stiefel. Was wir uns während der eigenen Jugend, später während der Kinderwunschzeit und zuallerletzt während der (ersten) Schwangerschaft ausmalen, hat selten mit dem wirklichen Leben als Eltern und Familie zu tun. Doch das Träumen darf sein! Es öffnet unsere Sichtweite, lässt unsere Herzen höherschlagen und motiviert uns, sich auf ein neues Kapitel im Leben einzulassen. Allerdings sollten wir danach auch wieder die Kurve bekommen, wenn wir von der Realität eingeholt werden, wenn nicht alles so läuft, wie wir es uns ausgemalt haben und vor allem, wenn wir überfordert sind und das Gefühl haben, nicht anzukommen oder schlichtweg Momente aus dem Leben vor dem Kind vermissen.
Was wir über das Elternsein dachten und wie es wirklich ist
Inhaltsverzeichnis
Eltern werden und Eltern sein: von der Vorfreude bis zur Realität
Vorfreude ist die schönste Freude – wir beobachten das Schwanger sein, Kinder gebären und das Heranwachsen der kleinen Zwerge unserer Familienangehörigen und Freunde und freuen uns auf den eigenen Nachwuchs. Doch wie verändert sich das Leben, wenn das neue Familienmitglied in unser Leben tritt und dieses umkrempelt? Darf man die eigene Wunschvorstellung infrage stellen und muss man immer glücklich sein, nur weil man es sich doch so sehr gewünscht hat?
Auch wir wurden von der teilweise harten Eltern-Realität eingefangen und es hat einige Zeit gedauert, bis wir im Familien- und vor allem im Elternleben angekommen sind. Unsere Entscheidung, eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen, malten wir zwar nicht genauso aus, wie wir sie nun erleben, genießen jedoch dieses neue – für uns so wunderbare – Leben.
Doch: dass man als Eltern zweifelt, sich nach langen Nächten und noch längeren Morgenstunden sehnt, manchmal einfach die gesamte Verantwortung abgeben möchte und gerade einfach alles als anstrengend empfindet, ist normal und darf sein. Eltern werden und Eltern sein ist ein Prozess, der nicht mit der Geburt des Kindes abgeschlossen ist, sondern in diesem Moment erst beginnt und sich über Wochen und Monate ziehen darf.
Wenn der Schlafmangel zur Folter wird
Schlafentzug gilt noch heute als eine anerkannte Foltermethode – unter anderem, weil er keine „sichtbaren“ und vor allem keine körperlichen Spuren (außer vielleicht Augenringe) hinterlässt und auch psychisch nur schwer nachweisbar ist.
Doch Kinder haben gar nicht vor, uns zu foltern. Sie entziehen uns nicht willentlich den Schlaf und haben auf keinen Fall die Absicht, uns leiden zu lassen. Sie suchen Nähe und Geborgenheit, möchten kuscheln und ihren Hunger sättigen. Und das meistens dann, wenn wir unserem heiligen Schlaf nachgehen wollen. Was hat sich Mutter Natur nur dabei gedacht?
Ja, die Nächte können kräftezehrend sein – und viele unserer Nächte sind es. Bis heute. Unser Kind ist kein Kind, das von Anfang an durchschläft. Es benötigt körperliche Nähe und Zuwendung, holt sich nachts die Kalorien, die es tagsüber wegen dem aufregenden Leben nicht zu sich nimmt, es zahnt, es entwickelt sich und raubt uns regelmäßig unseren Schlaf.
Was bleibt? Eine müde Mama, die morgens einen gut duftenden Kaffee und eine liebevolle Umarmung von ihrem Ehemann ins Badezimmer gebracht bekommt, weil das Kind die ganze Nacht Nähe gesucht hat. Manchmal ist der Papa dran. Aber seien wir doch ehrlich: Das Elternteil, das sich für den größeren Part Elternzeit entscheidet, übernimmt gern die Nächte, damit das andere Elternteil „ausgeschlafen“ arbeiten kann. So ist es zumindest bei uns. Dafür haben wir an anderen Ecken und Enden eine andere Aufgabenverteilung. Eltern werden und Eltern sein eben: wir teilen es uns auf. Und haben Glück. Denn wir haben uns!
Haushalt, Krankheiten, Kinderbetreuung – ein fast unmöglicher Spagat
Wer vor der Geburt eines Kindes der Wunschvorstellung nachgeht, weiterhin einen makellosen Haushalt und immer warmes und vor allem frisch gekochtes Essen auftischen zu können – man hat doch schließlich in der Elternzeit alle Zeit der Welt! – den möchte ich bitterlich enttäuschen.
Bei uns bleibt immer etwas liegen. Ob es die Wäsche ist, die im Keller abgehängt werden muss, oder der Haushalt, dem wir trotz „vieler freier Zeit“ doch nicht schaffen, nachzugehen. Die To-do-Liste ist immer lang. Ich habe es aufgegeben, immer alles während der Schlafenszeiten unserer Tochter erledigen zu wollen. Denn dann, wenn sie aufwacht und mich braucht, bin ich selbst erledigt und erschöpft. Also setzen wir Prioritäten. Gekocht wird teilweise in Etappen und der Herd geht mehrfach an und aus, an und aus – bis das Essen eben fertig ist. Dafür haben wir aber immer Reste oder Zutaten für schnelle Gerichte im Kühlschrank. Wenn es eben mal wirklich schnell gehen muss.
Eltern werden und Eltern sein – geht’s auch ohne Schimpfen?
Unser Plan, unser Kind „schimpflos“ zu erziehen: geht er auf? Die Ruhe zu bewahren, während das Kind im Supermarkt die Nerven verliert, nicht mehr ein und aus weiß und sich im Restaurant nicht so benimmt, wie wir es erwarten? Nicht wie „manch andere Eltern“ – die wir früher belächelt haben – zu reagieren: nicht die Nerven zu verlieren und nicht zu schimpfen?
Das wissen wir nicht. Wir haben keine Erfahrung.
So schlecht manch Nächte auch sind, so anstrengend manche Tage und so sehr unser Kleinkind sich auch etwas in den Kopf setzt, das gerade so nicht zu bewerkstelligen ist:
Es macht es nicht mutwillig!
Bisher konnten wir die Situation lenken – ja mit so manchen Tränen, manchmal viel Trost und manchmal mit der Herstellung einer neuen Situation. Manchmal mit etwas Kreativität und manchmal mit einer langen Umarmung und ein paar mehr Minuten Zuwendung – aber immer auf Augenhöhe.
Ob das so bleibt, kann uns wohl nur der Blick in die Kristallkugel der Zukunft verraten. Das lassen wir aber mal bleiben und lassen uns weiter auf dieses neue, oft so unberechenbare Leben ein, erleben jeden Tag in unserem neuen und einfach anderen Leben neu und verabschieden uns von festen Plänen und Wunschvorstellungen.
Allerdings halten wir an unseren Prinzipien fest: Wir begegnen unseren Kindern auf Augenhöhe, wir nehmen ihre Bedürfnisse ernst und hören auch ihre kleinen und großen Sorgen.
In einem sorgenfreien Leben kann der zerbrochene Keks großes Gefühlschaos auslösen
Und was ist mit der Freiheit?
Die Freiheit, die wir vor der Geburt unserer Tochter hatten: lange Abende mit Freunden und morgens einfach noch im Bett bleiben, Reisen wann und wohin man möchte, spontane Aktivitäten, die nicht mit Windelpackungen, Snacks und Wechselwäsche vorbereitet werden müssen, können wir nur noch bedingt umsetzen.
Dies sind in unseren Augen und unserem neuen Leben aber nur noch Kleinigkeiten. Natürlich genießen wir den ein oder anderen Abend ohne Kind oder einer von uns geht alleine aus – wie vorher auch schon, nur eben nicht mehr ganz so oft. Das ist aber auch gut so und wir vermissen es nicht. Reisen und Freizeitaktivitäten müssen mit Kind selbstverständlich etwas anders organisiert werden und für ganz spontane Aktionen ist die Kinderwagentasche stets vorbereitet. So können wir oft auch innerhalb weniger Minuten einfach los.
Vermissen wir also unser „altes Leben“ gar nicht? Natürlich gibt es Momente – insbesondere der Sonntagmorgen – an denen wir etwas länger schlafen würden. Mit Kind bleiben wir nun einfach gemeinsam länger liegen, kuscheln und spielen im Bett – und einer von uns kann immer noch etwas vor sich hindösen, während der andere mit Kind aufsteht. Für uns läuft es.
Aber auch wir Eltern begegnen uns auf Augenhöhe, nehmen unsere Bedürfnisse wahr UND ernst und entlasten uns gegenseitig. Ein Vorteil: Wir haben uns!
Wie empfandet ihr den Schritt von Eltern werden zu Eltern sein und was waren oder sind eure Herausforderungen? Kommentiert gerne den Beitrag und beachtet dabei die Nettikette 😊
Eure
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